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Herausgabe der Werke von Johannes Kepler

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Neue Astronomie

Astronomia Nova, Aitiologetos, seu physica coelestis, tradita commentariis de motibus stellae Martis. Ex observationibus G. V. Tychonis Brahe. (Neue Astronomie. Ursächlich begründet oder Physik des Himmels, dargestellt in Untersuchungen über die Bewegungen des Sternes Mars nach den Beobachtungen des Edelmannes Tycho Brahe) EA Prag 1609; dt. Mchn./Bln. 1929 KGW Bd. III, 1937; handschriftl. Material in: KGW Bd. XX.2, 1998.

In seinem astronomischen Hauptwerk begründet Kepler anhand einer durchgehenden Physikalisierung der Astronomie eine neue Theorie der Planetenbewegung. Seine Untersuchungen der Marsbewegung führen zum Bruch mit dem lange Zeit gültigen Axiom der gleichförmigen Kreisbewegung der Himmelskörper. Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen für diese Untersuchungen hat Kepler in seinem zu Lebzeiten unveröffentlichten Traktat über den Hypothesenbegriff (Apologia, 1600/01) formuliert; darin erhebt er den Anspruch, dass mit einer Hypothese auch ein Erklärungsmodell der physikalischen Wirklichkeit zu geben sei. Die physikalischen Erörterungen seines Werkes, insbesondere die Ableitung des Kraftbegriffs, schließen an Forschungen des englischen Physikers W. Gilbert (De magnete, 1600) sowie an eigene Untersuchungen über die Natur des Lichtes (Astronomiae pars optica, 1604) an. Die mathematisch-astronomischen Untersuchungen des in fünf Teile gegliederten Werkes erfolgen auf der empirischen Grundlage der genauen Mars- und Sonnenbeobachtungen des dänischen Astronomen Tycho Brahe. Kepler hat mit seiner Konzeption einer „physica coelestis” das naturphilosophische Programm des bereits begonnenen Zeitalters der mechanistischen Denkweise nicht merklich beeinflussen können. Newton hat Keplers astronomische Erkenntnisse bei der Ableitung der Gravitationstheorie verwendet, ohne dessen Werk gelesen zu haben. Erst in der klassischen deutschen Philosophie wurde die Tiefe von Keplers Gedankenwelt auch im Anschluß an sein astronomisches Hauptwerk wiederentdeckt und gewürdigt.

Großes Werklexikon der Philosophie, hrsg. von Franco Volpi. 2 Bände. Bd. 1: A-K. Stuttgart: Kröner 1999. Artikel zu Johannes Kepler von Volker Bialas. Auszug aus: „Astronomia Nova”, S. 822.